Eine Prinzessin wird Lebenstauglich
von Nicole Vergin
Auch, wenn es heute niemand mehr weiß: ich bin als Prinzessin geboren und aufgewachsen. Zwar ohne Krönchen und Schloss, aber meine Eltern und meine Schwester haben mir, dem Nesthäkchen, alle Wünsche von den grünen Augen abgelesen und mir den Weg freigeklopft, wenn ich mal wieder mit dem Kopf durch die Wand wollte. Zudem musste ich – auch als Teenager – zuhause keinen Finger krumm machen. All das machte mich nicht gerade Lebenstauglich, denn außerhalb unserer vier Wände wusste niemand von meinem Prinzessinnen-Stand und ich wurde behandelt, wie alle anderen auch – ganz ohne Privilegien. Kochen und putzen konnte ich nicht, beziehungsweise war es mir verhasst. Und so war meine erste eigene Wohnung ein Saustall. Lebenstauglich wurde ich erst, als ein besonderer Mensch in mein Leben trat.
Es war ein heißer Sommertag, als ich ihn kennenlernte. Die Luft in unserer Drei-Zimmer-Wohnung stand und mir lief der Schweiß den Rücken herunter. Ich tapste durch die Räume. Mal seufzte und stöhnte ich. Mal fluchte ich wie ein Bierkutscher. Die Stunden verrannen zäh und ich war müde. Doch dann – endlich – war er da. Mit einem von Anstrengung gezeichneten Gesicht lag er in meinen Armen und ich staunte über das kleine, große Wunder. Ich ahnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass gerade mein Lebensbeweger geboren war.
Die nächsten Monate waren ein Wechselbad der Gefühle. Tanzende Hormone und Schlafmangel erleichterten mir die Umstellung nicht gerade. Und damit meine ich nicht nur die Umstellung auf das Mama-Dasein. Vorrangig – ich schäme mich fast, es zu erzählen – kämpfte die Prinzessin in mir ums Überleben. Mein Leben lang hatte ich in meiner Familie im Mittelpunkt gestanden. Alles drehte sich stets um mich. Und nun war da dieser winzig kleine Junge, der alle Herzen im Sturm eroberte. Ich, die ich ihn doch immerhin all die Monate in mir genährt und dann geboren hatte, stand am Rand und schaute zu. Das hatte ich mir anders vorgestellt.
Und so ist es wohl nicht verwunderlich, dass mein kleiner Junge und ich keinen Bilderbuchstart hatten. Das ich nicht mit einem seligen Dauergrinsen auf meinem Gesicht durch die Gegend lief und mich über jeden Blick in den Kinderwagen nebst: „Hach, ist der aber süß!“ Ausrufen, freute. Ich mutierte in meinen Augen zur Rabenmutter, die ihr Kind nicht so liebte, wie es das verdiente und wie es doch – verflucht nochmal – normal war. Gemeinsam kämpften wir uns durch den Alltag, sofern meine Mutter nicht einsprang und ihren Enkel mit all ihrer Liebe überschüttete. Was ich einerseits mit Erleichterung annahm, andererseits aber auch wieder die Prinzessin in mir auf den Plan rief. Es war ein Teufelskreis, in dem ich da gefangen war. Einer, von dem ich niemandem zu erzählen wagte, denn alle anderen Mütter um mich herum wirkten ach so glücklich, zufrieden und ausgeglichen.
Trotz dieser inneren Kämpfe, entwickelte ich mich Stückchenweise weiter. Damals erkannte ich das nicht, aber heute mit dem nötigen Abstand von 25 Jahren sehe ich es deutlich: Schritt für Schritt wurde die Prinzessin lebenstauglicher. Schließlich hatte ich nun diese große Verantwortung für ein Kind, für mein Kind. Und – neben all der Prinzessinnen-Eifersucht – wollte ich für ihn nur das Beste.
Also lernte ich kochen, damit er nichts ungesundes aus der Dose bekam. Ich putzte unsere Wohnung, denn gegen ein wenig Schmutz ist nichts einzuwenden, wohl aber gegen Wollmäuse, die man beim Betreten der Wohnung erst bekämpfen muss. Regelmäßige Bewegung befand ich für ebenso wichtig, wie frische Luft. Und so waren wir täglich unterwegs, marschierten durch Straßen, Wälder über Feldwege. Anfangs mit Kinderwagen und Buggy und später dann beide auf unseren eigenen Beinen. Wir erkundeten die Welt Stück für Stück und mit jedem Stück kamen wir uns näher. Es waren kleine Schritte, die wir machten. Oft weinte ich über mein inneres Unvermögen, mich einfach in mein Mutterglück hineinfallen zu lassen und darin zu baden.
Doch auch hierbei gab mir mein kleiner Junge liebevolle Unterstützung. Ich war seine Mutter und obwohl ich es oft kaum glauben konnte, liebte er mich. Einfach so, wie ich war. Trotz meines Prinzessinnen-Gehabes, das er sicherlich spürte. Immer wieder lud er mich ein, griff mit seiner winzigen Hand nach meiner großen Hand, schaute zu mir hoch und lächelte. Voller Vertrauen und voller Liebe.
Heute ist mein kleines, großes Wunder fast 25 Jahre alt und ich bin stolz, seine Mutter sein zu dürfen. Und dankbar für alles, was er mir beigebracht hat, mein Lebensbeweger. Und auch, wenn er inzwischen etliche Kilometer von mir entfernt lebt, so sind wir doch im Herzen immer fest miteinander verbunden. Und die Prinzessin? Die gibt es auch noch, sie ist nur Lebenstauglich geworden.
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Sehr schön Nicole.
Ist es nur eine Geschichte oder ist es deine Geschichte?
LG, Nati
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Vielen Dank liebe Nati ❤
Es ist meine Geschichte.
Liebe Grüße und noch einen schönen Sonntag
Nicole
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Sehr schön und sehr bewegend.
LG Babsi
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Ich danke Dir liebe Babsi ❤
Hab noch einen schönen Sonntag, liebe Grüße
Nicole
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Sehr schöner Einblick. Man sagt, wenn das Kind da ist, klappt das alles – als Mutter weiss man das schon – aber man muss es auch erstmal kennen lernen. Man muss sich selbst mit dieser neuen Situation kennen lernen. Das stelle ich mir selbst auch nicht gerade leicht vor – deswegen ein sehr schöner Beitrag.
Liebe Grüsse
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Ich danke Dir liebe Rina! ❤
Den Satz: "Das hast Du doch vorher gewusst, was auf Dich zukommt" habe ich oft gehört. Und nein, ich wusste es nicht. Bis zu der Zeit hatte ich keinerlei Erfahrungen mit kleinen Kindern und schon gar nicht mit Babys. Mal abgesehen davon, dass ich nie gedacht hätte, dass mir mein eigenes Ego so in die Quere kommt… Glücklicherweise gibt es ja ein Happy End! 😀
Liebe Grüße
Nicole
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😀😀
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Liebe Nicole,
Danke für diese anrührende Geschichte – und für den Vertrauensvorschuss, den du uns schenkst.
Liebe Grüße
Judith
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Ich danke Dir für Deine Worte liebe Judith – sie tun mir gut! ❤
Liebe Grüße
Nicole
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So sollte es sein, so war es gedacht – bitte, gern.
Sonnige Grüße
Judith
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Eine nicht ganz einfache Zeit, von einer beschwingten erwachsenen Prinzessin leicht erzählt. 👑
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Die erwachsene (?? 😉 ) beschwingte Prinzessin dankt Dir von Herzen liebe Margit. ❤
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Da, schau …
Das dachte ich doch beim Lesen – das klingt wie ein Text zum Sommerradio, liebe Nicole. Ich höre es später an.
Grüße
Judith
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Habe die Geschichte gerade gehört, die Eindringlichkeit ist noch größer als beim puren Lesen.
Danke.
Grüße
Judith
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@ mutigerleben: Ich dachte spätestens beim Lebensbeweger wird es Dir klar werden, liebe Judith. Es freut mich sehr, dass Dir auch die gelesene Variante gefällt. ❤ Ich habe die ganze Zeit dabei versucht, an meinem Kloß im Hals vorbei zu lesen… 😉
Danke auch für Deine Freundschaftsgeschichte, die ich gestern gehört habe. Es war schön, einmal auch eine Stimme zu Deinen Geschichten zu hören.
Liebe Grüße
Nicole
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Liebe Nicole,
Dann bin ich gespannt auf die nächsten Geschichten, die wir eher nicht hören werden, vermute ich. Wie sagte mein Mann am ersten Sonntag? „Dann kannst du jetzt aufhören zu schreiben, wenn deine Geschichte gleich beim ersten Mal dabei ist …“
Aber gut, ich schreibe ja für mich.
Hast du denn alle bisherigen mitgeschrieben?
Liebe Grüße
Judith
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Liebe Judith,
ja, ich denke da hat Dein Mann Recht. Und es ist ja auch spannend, vielen unterschiedlichen Autorinnen und Autoren zu lauschen.
Ich schreibe auch für mich und für meinen Blog, da werde ich dann auch wieder die Geschichten einstellen. Bisher habe ich nur den Schutzengel-Impuls geschrieben. Nach und nach werde ich dann auch die anderen Impulse „verschreiben“. Mit dem Wandelbuch bin ich auch noch nicht „durch“, auch das kommt nach und nach. Es soll ja Spaß machen und nicht in Stress ausarten.
Ich wünsche Dir weiter viel Schreib-Spaß!
Liebe Grüße
Nicole
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Liebe Nicole,
Danke dir.
Den Impuls für diese Woche habe ich noch nicht geschrieben, aber ich weiß, worüber ich schreibe. Insofern werde ich diesen Impuls auf jeden Fall noch schreiben.
Das Wandelbuch habe ich fertig – und irgendwie fehlt mir das ein wenig. War doch nochmal anders als das Somemrradio.
Herzliche Grüße
Judith
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