Asche zu Asche
von Nicole Vergin
Asche zu Asche.
Das Papier der Zigarette kräuselte sich und zog sich nach und nach von der brennenden Spitze zurück. Wie lange es wohl dauerte, bis eine Kippe abgebrannt war, wenn man nicht daran zog?
Noras Augen folgten der fallenden Asche, als sie den Weg in den Aschenbecher antrat.
Mit einer entschlossenen Bewegung führte sie die Zigarette vor ihr Gesicht, nahm den Filter zwischen ihre Lippen und zog. Rauch füllte ihren Mund, sie hustete.
Was fanden Raucher bloß an diesen Glimmstängeln?
Rauchen gefährdet ihre Gesundheit.
Solche und ähnliche Weisheiten musste die Tabakindustrie seit einigen Jahren auf die Zigarettenpackungen drucken. Was gut war für all die, denen die gesundheitlichen Risiken bisher unbekannt waren.
Nora rümpfte die Nase. Und dieser Gestank. Überall blieb er hängen. In der Kleidung, den Gardinen, selbst die Sofapolster erzählten Geruchsgeschichten, wenn sich ein Raucher in der Wohnung befand.
Ihre gesamte Kindheit war geprägt gewesen von den wolkenähnlichen Schwaden, die durch das Wohnzimmer geschwebt waren. Dies und der dauernde bellende Husten ihres Vaters waren ihr in Erinnerung geblieben.
Mit einer vor Ekel verzogenen Miene zog sie ein weiteres Mal an der Zigarette. Diesmal gelang es ihr, eine Weile den Rauch im Mund zu behalten. Um sich abzulenken, schaute sie auf das Foto, das sie am Vortag in einen schwarzen Rahmen gesperrt und in ihre Handtasche gesteckt hatte.
Darauf war sie selbst zu sehen mit ihrem Vater an der Seite. Ein besonderer Tag, damals vor zehn Jahren, als sie den langen Weg durch die Kirche auf ihren zukünftigen Mann zugegangen war. Gemeinsam hatten sie um die Wette gestrahlt.
Und nun, nur vier Jahre später, war er tot. Kehlkopfkrebs.
„Papa, rauchen macht Dich krank.“ Ihre eigene Kinderstimme schwirrte durch ihre Gedanken. Immer wieder hatte er versprochen, aufzuhören und sie selbst vor dem Beginn dieses Lasters nachdrücklich gewarnt.
Heute wollte sie nur einmal wissen, wie es war zu rauchen. Was es so unwiderstehlich für ihn gemacht hatte. Vielleicht wollte sie ihm auch nah sein. Vielleicht.
Nora drückte die angerauchte Zigarette im Aschenbecher aus, straffte die Schultern und betrat gleich darauf das schlichte Gebäude.
„Sind Sie soweit?“
Sie nickte. Flügeltüren wurden vor ihr geöffnet. Ihr Herz raste. Mit weichen Knien ging sie den Gang zwischen den Stuhlreihen entlang und blieb neben dem Sarg in dem ihr Vater lag, stehen.
Asche zu Asche.
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Uh, sehr eindringlich und traurig!
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❤
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Mal etwas ganz anderes von dir Nicole.
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Inwiefern anders, liebe Nati? Ich frage, weil es mir gar nicht so vorkommt.
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Irgendwie vom Stil her wirkt es anders.
Nicht schlechter oder so, nur anders.
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Find ich spannend – mir selbst fällt so etwas oft nicht auf. Danke für Deine Antwort!
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Ich habe von so vielen gehört, dass die erste Zigarette furchtbar schmeckt, ich glaube also, dass „eine paffen“ als Selbstversuch nichts bringt. Übrigens auch nicht zehn oder zwanzig, wenn man aus dem Alter erst mal raus ist, in dem man damit cool ist. 😉
Gute Geschichte. Sehr gerne gelesen. 😁⛅👍👍👍
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Paffen als Selbstversuch bringt definitiv überhaupt nichts (ich habe es vor laaaanger Zeit mal probiert…). Aber in der Trauer versuchen Menschen ja auf die unterschiedlichsten Arten, den Verstorbenen nahe zu sein. Und dass zu zeigen, war meine Intension.
Es freut mich sehr, dass sie Dir gefällt! ❤
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Eine sehr eindrucksvolle und nahegehende Geschichte …
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Ich danke Dir ❤
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